Die Afrikanische Kontinentale Freihandelszone (AfCFTA)

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Nach mehr als 30 Jahren Verhandlungen blickt die Welt nun auf das erste panafrikanische Handelsabkommen, welches 2019 in Kraft getreten ist: Die Afrikanische Kontinentale Freihandelszone (African Continental Free Trade Area – AfCFTA).

Afrika ist mit seinen 55 Ländern und rund 1,3 Milliarden Einwohnern nach Asien der zweitgrößte Kontinent der Welt. Das Potenzial des Kontinents ist enorm: Mehr als 50 % der afrikanischen Bevölkerung ist unter 20 Jahre alt, und die Bevölkerung wächst weltweit am schnellsten. Bis 2050 wird voraussichtlich jedes vierte Neugeborene aus Afrika stammen. Darüber hinaus ist der Kontinent reich an fruchtbaren Böden und Rohstoffen.

Für westliche Investoren hat Afrika in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. So ist ein beachtliches internationales Handelsvolumen entstanden, das nicht zuletzt durch die 2017 von den G20-Staaten verabschiedete Initiative „Compact with Africa“, auch bekannt als „Marshallplan mit Afrika“, gefördert wird. Der Fokus liegt auf dem Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit Afrikas mit den G20-Ländern durch die Stärkung privater Investitionen.

Zugleich stagnierte bislang jedoch der innerafrikanische Handel: Teilweise noch bestehende hohe innerafrikanische Zölle, nichttarifäre Handelshemmnisse (non-tariff barriers – NTBs), schwache Infrastruktur, Korruption, schwerfällige Bürokratie sowie intransparente und inkonsistente Regulierungen sorgten dafür, dass sich die interregionalen Exporte kaum entwickeln konnten und zuletzt nur 17 % des innerafrikanischen Handels und nur 0,36 % des Welthandels ausmachten. Schon lange hatte sich deshalb die Afrikanische Union (AU) die Schaffung einer gemeinsamen Handelszone auf ihre Agenda gesetzt.

Was verbirgt sich hinter AfCFTA?

Der Errichtung einer panafrikanischen Handelszone gingen jahrzehntelange Verhandlungen voraus, welche schließlich in das Inkrafttreten des AfCFTA am 30. Mai 2019 mündeten.

Das AfCFTA ist eine von ihren Mitgliedern errichtete Freihandelszone, die (mit Ausnahme Eritreas) den gesamten afrikanischen Kontinent umfasst und damit, gemessen an der Zahl der Mitgliedsstaaten nach der Welthandelsorganisation (World Trade Organization – WTO) die größte Freihandelszone der Welt ist.

Die Ausgestaltung des gemeinsamen Marktes war Gegenstand mehrerer Einzelverhandlungen, die in den Phasen I und II geführt wurden.

Phase I umfasst die Verhandlungen zu drei Protokollen und ist nahezu abgeschlossen.

Das Protokoll über den Handel mit Waren

Dieses Protokoll sieht die Abschaffung von 90 % aller innerafrikanischen Zölle in allen Warenkategorien innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten vor. Davon können bis zu 7 % der Waren als sensible Waren eingestuft werden, für die ein Zeitraum von zehn Jahren für die Beseitigung der Zölle gilt. Für die am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries – LDCs) wird die Vorbereitungszeit von fünf auf zehn Jahre und für sensible Waren von zehn auf dreizehn Jahre verlängert, sofern sie ihren Bedarf nachweisen. Die restlichen 3 % der Zölle sind vollständig vom Zollabbau ausgenommen.

Voraussetzung für den Zollabbau ist die klare Abgrenzung der Ursprungsregeln. Andernfalls könnten Einfuhren aus Drittländern von den ausgehandelten Zollvorteilen profitieren. Über die meisten Ursprungsregeln ist bereits eine Einigung erzielt worden.

Das Protokoll über den Handel mit Dienstleistungen

Die AU-Generalversammlung hat sich bisher auf fünf Schwerpunktbereiche (Verkehr, Kommunikation, Tourismus, Finanz- und Unternehmensdienstleistungen) und Leitlinien für die entsprechenden Verpflichtungen geeinigt. 47 AU-Mitgliedsstaaten haben bereits ihre Angebote für spezifische Verpflichtungen vorgelegt und die Überprüfung von 28 von ihnen ist abgeschlossen. Darüber hinaus sind die Verhandlungen, beispielsweise über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, noch nicht abgeschlossen.

Das Protokoll über die Streitbeilegung

Mit dem Protokoll über Regeln und Verfahren für die Streitbeilegung schafft das AfCFTA ein Streitbeilegungssystem nach dem Vorbild der WTO-Streitbeilegungsvereinbarung. Das Streitbeilegungsgremium (Dispute Settlement Body – DSB) verwaltet das AfCFTA-Streitbeilegungsprotokoll und setzt ein Schiedsgericht (Adjudicating Panel – Panel) und ein Berufungsgremium (Appellate Body – AB) ein. Das DSB setzt sich aus einem Vertreter jedes Mitgliedstaates zusammen und wird tätig, sobald es zwischen den Vertragsstaaten Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung und/oder Anwendung des Abkommens in Bezug auf ihre Rechte und Pflichten gibt.

Für die verbleibende Phase II sind Verhandlungen über Investitions- und Wettbewerbspolitik, Fragen des geistigen Eigentums, Online-Handel sowie Frauen und Jugend im Handel geplant, deren Ergebnisse in weitere Protokolle einfließen werden.

Die Umsetzung des AfCFTA

Grundsätzlich kann der Handel im Rahmen eines Handelsabkommens erst dann beginnen, wenn der rechtliche Rahmen endgültig steht. Die Staats- und Regierungschefs der AU haben jedoch im Dezember 2020 vereinbart, dass der Handel mit solchen Waren, für die die Verhandlungen abgeschlossen sind, beginnen kann. Im Rahmen dieser Übergangsregelung fand nach einer pandemiebedingten Verschiebung am 4. Januar 2021 die erste AfCFTA-Handelsabwicklung von Ghana nach Südafrika statt.

Bausteine der AfCFTA

Alle 55 Mitglieder der AU waren an den AfCFTA-Verhandlungen beteiligt. Davon gehören 47 zu mindestens einer der anerkannten Regionalen Wirtschaftsgemeinschaften (Regional Economic Communities – RECs), die gemäß der Präambel des AfCFTA-Abkommens weiterhin als Bausteine des Handelsabkommens dienen sollen. Folglich waren es die RECs, welche bei den AfCFTA-Verhandlungen für ihre jeweiligen Mitglieder auftraten. Das AfCFTA-Abkommen sieht vor, dass die RECs ihre Rechtsinstrumente, Institutionen und Streitbeilegungsmechanismen beibehalten.

Innerhalb der AU gibt es acht anerkannte regionale Wirtschaftsgemeinschaften, die sich in einigen Ländern überschneiden und bei denen es sich entweder um präferenzielle Handelsabkommen (Freihandelsabkommen) oder Zollunionen handelt.

Im Rahmen der AfCFTA haben die RECs verschiedene Aufgaben. Diese sind insbesondere:

  • Koordinierung der Verhandlungspositionen und Unterstützung der Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung des Abkommens
  • Lösungsorientierte Mediation bei Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedsstaaten
  • Unterstützung der Mitgliedsstaaten bei der Harmonisierung von Zöllen und anderen Grenzschutzbestimmungen
  • Förderung der Nutzung des AfCFTA-Meldeverfahrens zum Abbau von NTBs

Ausblick auf das AfCFTA

Das AfCFTA hat das Potenzial, die Integration Afrikas in die Weltwirtschaft zu erleichtern und schafft die reale Möglichkeit einer Neuausrichtung der internationalen Integrations- und Kooperationsmuster.

Ein Handelsabkommen allein ist noch keine Garantie für wirtschaftlichen Erfolg. Damit das Abkommen den prognostizierten Durchbruch erzielt, müssen die Mitgliedstaaten den politischen Willen haben, die neuen Regeln konsequent umzusetzen und die dafür notwendigen Kapazitäten zu schaffen. Insbesondere die kurzfristige Beseitigung von Handelshemmnissen und die Schaffung einer nachhaltigen physischen und digitalen Infrastruktur dürften entscheidend sein.

Wenn Sie sich für das AfCFTA interessieren, können Sie hier eine erweiterte Version dieses Artikels lesen.

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